„Goethes Faust ist ja gar nicht so kompliziert“, stellte ein Schüler erstaunt nach der szenischen Lesung von Tino Leo und Lavinia Heilig fest. Auch die Mitschüler waren von der Premiere angetan und stimmten anerkennend zu: „Man konnte der Handlung gut folgen.“
Über dieses Feedback freuen sich die beiden Profi-Schauspieler sehr. Denn sie wissen, dass der „Faust“ unter Schülern nicht immer beliebt ist. „Ich fand damals die Sprache extrem anspruchsvoll und habe beim Lesen nicht wirklich etwas verstanden“, gibt Tino Leo selbst zu. Aber inzwischen sei er großer Goethe-Fan und es war ihm sehr wichtig, die Originalsprache beizubehalten.
In einer lebendigen Mischung aus Lesung und Hörspiel präsentierte das Schauspieler-Duo Goethes „Faust“ für die Zwölftklässler am Schwetzinger Hebel-Gymnasium. In der Originalversion ist das Drama mehrere Stunden lang, die beiden haben es auf eine Stunde komprimiert. Die kompakte Fassung kam bei den Schülern bestens an.
Alle Rollen auf zwei Vorleser verteilt – geht das? Ja, denn durch ihr variables Spiel mit der Stimme gelingt es Leo und Heilig, die Dialoge mal witzig und mal ernst zu veranschaulichen. So bekommt zum Beispiel Mephisto einen amerikanischen Akzent, Marthe spricht hessischen Dialekt. „Gesprochen klingen Goethes Reime viel schöner, als wenn man sie nur liest“, meinte eine Schülerin.
Soundeffekte werden gezielt eingesetzt. In Marthes Garten unterstreicht Vogelzwitschern die positive Stimmung, in der Walpurgisnacht läuft moderne Party-Musik und gegen Ende des Stücks, als Gretchen in der Kirche in ihrer Vermutung, schwanger zu sein, bestätigt wird, hören sich die Hintergrundgeräusche bedrohlich an.
Der Mainzer Tino Leo kommt seit einigen Jahren an das Hebel-Gymnasium und stellt für Siebtklässler die Nibelungensage als pfiffiges Ein-Mann-Stück vor. Bibliothekarin Veronika Lippolt hat ihn auch dieses Jahr wieder dank der Finanzierung durch die Stadtbibliothek eingeladen. In 45 Minuten schlüpft er dabei in verschiedene Rollen und erzählt lebhaft die Geschichte vom Kämpfen, Lieben und Sterben. Die Schüler amüsieren sich wie immer köstlich. Bei seinen zahlreichen Touren durch deutsche Schulen wurde er vor einiger Zeit angeregt, auch einmal etwas für die Oberstufe zu bieten. Da nahm er sich den „Faust“ vor. Die Premiere dieser Lesung fand nun mit Erfolg in Schwetzingen statt.
(Birgit Schillinger)