14.11.18

Erinnern, um nicht zu vergessen und Wiederholung zu vermeiden! - Zehntklässler besuchen das KZ Natzweiler-Struthof im Elsass

Der 9. November ist ein historischer Schicksalstag der Deutschen. Vor 80 Jahren, am 9.11.1938, begann mit der sogenannten „Reichspogromnacht“, euphemistisch von den Nazis „Reichskristallnacht“ genannt, die systematische Verfolgung und anschließende Vernichtung der Juden. Dieser Tag wurde bewusst gewählt für eine Lernfahrt der zehnten Klassen des Hebel-Gymnasium nach Struthof.

Begleitet wurden sie dabei von ihren Religions-und Ethiklehrkräften. Struthof, ehemals ein Bauernhof im Elsass, schön gelegen auf einem Berggipfel in den Vogesen, ungefähr 800 m hoch, umgeben von Wald - ein ideales Wander-und Skigebiet. Aber statt eines Gipfelkreuzes steht hier ein Galgen, weithin sichtbar. Natzweiler-Struthof, das steht für ein Konzentrationslager der Nazis. Hier waren von Mai 1941 bis September 1944 52000 Häftlinge untergebracht, wenn man die Außenlager miteinbezieht wie die Außenstelle Mannheim-Sandhofen, wo Zwangsarbeiter für Mercedes Benz arbeiteten. Bei der Befreiung des KZ durch die britischen Alliierten waren noch 500 Häftlinge anwesend. Hier starben etwa 22000 Häftlinge, viele andere wurden am Ende des Krieges in die großen Todeslager im Osten weitertransportiert.

Das Lager selbst war nicht allzu groß, galt aber als eines der schlimmeren Sorte. Von den 17 Baracken sind noch drei enthalten, zwei davon als Museum eingerichtet. Das Lager war von einem Todesgraben umgeben, mit doppelten Stacheldraht- und Elektrozäunen gesichert sowie von 8 Wachtürmen, die mit bewaffneten Wachsoldaten und scharf abgerichteten Hunden besetzt waren. Flucht war praktisch unmöglich. Das KZ wurde auch genutzt, um unliebsame Häftlinge zu liquidieren, oft nach manipulierten Konfliktsituationen. Die sogenannten„Nacht-und Nebel“-Häftlinge, französische Widerstandskämpfer, wurden alle ausnahmslos getötet und verbrannt. In Struthof waren Häftlinge aller Kategorien untergebracht: Juden, viele Sinti und Roma, Homosexuelle, Bibelforscher und politische Häftlinge. Hinzu kamen kriminelle Häftlinge, die von der Waffen-SS gezielt als „Kapos“ eingesetzt wurden, um Angst und Schrecken durch willkürliche Gewalt zu verbreiten. Die Häftlinge mussten den roten Granitstein der nahe gelegenen Steinbrüche abbauen und ins Lager transportieren, als Arbeitsklaven arbeiteten sie später hauptsächlich für die Kriegsindustrie der Nazis. Der zur Gaskammer und für Menschenversuche umgebaute Bauernhof liegt etwas außerhalb des Lagers, ebenso die Kommandantenvilla, die einen Garten und einen Swimmingpool hatte. Hier wurden  rauschende Feste gefeiert, während im Lager die Menschen froren und hungerten. Die Besichtigung des Arrestbunkers, der ärztlichen Station, wo grausamste Menschenversuche mit Senfgas und anderen chemischen Substanzen ausprobiert wurden sowie der direkt daneben gelegene Verbrennungsofen im Krematorium schockiert die Schüler*innen am meisten. Der Lerngang endet an der Aschengrube, die als Massengrab fungierte. Pietätlos wurde auch die Asche der Toten noch geschändet, indem sie  als Düngemittel zusammen mit Gülle auf die umliegenden Gemüsegärten und bäuerlichen Felder ausgebracht wurde. Ein großes Kreuz als Mahnmal, davor die Aufschrift „Ossa Homiliata“ ( erniedrigte Gebeine) und eine „Mauer der Erinnerung“ zeugen davon, dass hier die Überreste von Tausenden von Häftlingen liegen. Die Schülerinnen zünden Kerzen an und halten eine Schweigeminute ab, bevor es wieder zum Bus und dann zurück nach Schwetzingen geht.  

Wie haben die Zehntklässler den Lerngang in ein KZ erlebt? Die Konfrontation mit einem Ort furchtbaren Grauens ist für nahezu alle das erste Mal. Einige Stimmen aus der Ethik-Gruppe: „Man kann das alles in Büchern nachlesen oder sich Bilder ansehen, aber hier, das ist echtes Leben, das hat eine ganz andere Wirkung“, meint Angelos.  Auch An und Evelin zeigen ihre Betroffenheit. „Wir wussten, dass hier schlimme Dinge passiert sind, aber die Augenzeugenberichte zu hören und die Orte dazu zu sehen, das war schon ungeheuer emotional.“„Erschreckend, dass Menschen fähig sind, anderen Menschen so etwas anzutun“, ergänzt Laetitia. „Es ist jedenfalls sehr wichtig, dass die Schule solche Lerngänge durchführt!“ , so das abschließende Urteil von Evelin. „So etwas darf nie wieder passieren!“

(Hanna Schwichtenberg, für das Lehrerteam)