Hoher Besuch am Hebel-Gymnasium: Prof. Martin Hellman sprach mit mathematik-interessierten Schülern über seine Forschung und sein Leben. Der Amerikaner gehört zu den Pionieren der Verschlüsselungstheorie: Ohne seine Ergebnisse, die er 1976 auf einer Konferenz veröffentlichte, wären heute Handy-Kommunikation und Online-Banking nicht möglich.
Der emeritierte Standford-Professor weilt diese Woche anlässlich des Heidelberg Laureate Forums in Heidelberg. Zum zehnten Mal wurden im September werden die weltbesten Mathematiker und Informatiker eingeladen, um eine Woche ihre Ideen und Erfahrungen mit Nachwuchs-Wissenschaftlern auszutauschen. Vorbild für das Heidelberg Laureate Forum ist das Nobelpreisträgertreffen in Lindau.
Martin Hellman erhielt für seine bahnbrechenden Ergebnisse zusammen mit Whitfield Diffie 2015 den Turing Award, eine Auszeichnung, die dem Nobelpreis gleichzusetzen ist. Der nun 77jährige Informatiker erzählte im Hebel-Gymnasium von seiner damaligen Idee für eine Methode, die einen öffentlichen und einen geheimen Schlüssel benutzt und dann nur für die beiden Partner zu entziffern ist. Das Besondere daran ist, dass der die Nachricht öffnende Schlüssel nicht über den öffentlichen, also unsicheren Weg übermitteln werden muss. Dahinter steckt eine raffinierte mathematische Ein-Weg-Funktion, deren Kommutativität hier geschickt ausgenutzt wird. Wie er darauf gekommen sei, fragte ein Schüler. „Das hat mir die Muse der Mathematik ins Ohr geflüstert“, antwortete scherzhaft Hellman, „es war irgendwann in der Nacht, als die Familie schon schlief.“ Und ergänzte: „Es haben gleichzeitig mehrere Personen an dem Problem gearbeitet – die Lösung lag sozusagen in der Luft.“
Eine Mini-Umfrage unter Nobelpreisträgern, ob sie für ihre Forschung eher ermutigt oder für verrückt gehalten wurden, ergab, dass bei der Mehrheit zunächst ihre Ideen als unmöglich abgestempelt wurden. Und das galt auch für Hellmans Arbeit an der Verschlüsselung. Er wurde nicht nur für verrückt erklärt, sondern auch mit Gefängnis bedroht, falls er diese Methode veröffentlichen würde. Denn der amerikanische Geheimdienst NSA wollte vermeiden, dass es derart verschlüsselte Kommunikation gebe, die von ihm nicht abgehört werden kann. Außerdem sollten gerade zu Zeiten des Kalten Krieges solche Techniken nicht dem feindlichen Russland in die Hände fallen. Aber Hellman ließ sich nicht abhalten, auch weil er Rückendeckung seiner Universität bekam.
Heute beruht die digitale Verschlüsselung auf seinen Ideen. Aber was passiert, wenn die Quantencomputer kommen, die dann diese Methode doch „knacken“ können, wollte ein Schüler wissen. „Ja, dann würde es auch nicht helfen, die Schlüsselzahlen noch größer zu machen. Wir müssen forschen und ganz neue Ideen entwickeln“, gab Hellman zu bedenken, „aber da ist in den letzten Jahrzehnten kein Fortschritt gemacht worden.“
Er fesselt sein Publikum mit seinen Geschichten – auch zu gesellschaftlichen Problemen. Frieden ist so ein Thema, das ihm sehr am Herzen liegt. Schon damals engagierte er sich in der Friedensbewegung, heute hat er ein Buch geschrieben, wie der Frieden im Kleinen (in der Ehe und Familie) und im Großen zu gewinnen ist: „Man muss manchmal eine weitere Dimension einführen, um neue Perspektiven einzunehmen - so, wie uns die imaginären Zahlen helfen, Probleme der Realität zu lösen.“ Der Preisträger war begeistert von den schlauen Fragen der Hebel-Schüler: „Es hat mir viel Spaß gemacht, mich mit diesen interessierten Jugendlichen zu unterhalten.“
Birgit Schillinger