15.01.17

Erlebte Gastfreundschaft: Begegnung mit dem Islam

Jede Religion hat ihre eigene Ästhetik, die deutlich wird in der Architektur der Gotteshäuser, in Mythen und Kunst, in Klängen und Ritualen und natürlich besonders in der Sprache der heiligen Bücher. Während die Thora und die Bibel eher Lese-Bücher sind, entfaltet der Koran seine Kraft durch das Hören der heiligen Worte. So bedeutet „Koran“ auch übersetzt „Das Vorzutragende“. In der musikalischen Rezitation des Textes vollzieht sich religiöse Erkenntnis im ästhetischen Erleben.

Dies wird den  Ethik-Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe 9 sehr eindrücklich veranschaulicht, als sie zusammen mit ihrer Ethik-Lehrerin Hanna Schwichtenberg und Schulsozialarbeiterin Stephanie Liekenbrook die Mannheimer Yavuz Sultan Selim Moschee am Luisenring besuchen.

Talat Kamran, türkischstämmiger Politikwissenschaftler und Leiter des an die DITIB-Moschee angeschlossenen „Mannheimer Institut für Integration und interreligiöse Studien“, begrüßt die Schülergruppe und heißt sie herzlich willkommen. Begegnung sei wichtig, um gegenseitige Vorurteile abzubauen und Kenntnisse über die jeweils andere Religion zu vermitteln, dies sei eine wichtige Basis für einen offenen interreligiösen Dialog, meint er.

Er zeigt und erklärt die wichtigsten Bestandteile der Moschee, die 1995 eröffnet wurde und nicht nur als eine der größten, sondern auch eine der schönsten in Deutschland gelten könne. Was Minbar ( Kanzel), Mihrab ( Gebetsnische) und Muezzin ( Gebetsrufer) bedeuten, haben die Neuntklässler im Ethik-Unterricht schon gelernt, nun können sie aber alles mit eigenen Augen begutachten und so einen authentischen Eindruck gelebter islamischer Glaubenspraxis erfahren.

Die Gruppe darf von der Empore aus das rituelle Mittagsgebet miterleben. Nach dem Gebetsruf des Muezzin  und einer gesungenen Koranrezitation versammeln sich die Gläubigen im vorderen, nach Mekka hin orientierten Bereich der Moschee, wobei sie entlang des Teppichmusters Gebetsreihen bilden. Nach der Predigt des Imam Salih Pay zu einem Abschnitt des Korans erfolgt das gemeinschaftliche Gebet mit den vorgeschriebenen  Worten und Bewegungen, die mit ruhiger Konzentration ausgeführt werden.

Danach treffen sich viele noch in der Cafeteria im unteren Teil des Moscheegebäudes. Talat Kamran zeigt und erklärt den Schülern im angrenzenden Brunnenhaus die Notwendigkeit der kultischen Reinheit der Betenden, die durch die rituellen Waschungen vor dem Gebet erreicht werden kann.

Zum Abschluss trinken alle einen türkischen Tee im Caféraum, wo noch die Gelegenheit zu Fragen und Gesprächen besteht.

Für viele der Schwetzinger Schülerinnen und Schüler ist es das erste Mal, dass sie ein islamisches Gotteshaus  besichtigen und einen Gebetsgottesdienst miterleben. Sie nehmen viele Eindrücke mit sowie Fragen, die im Unterricht noch nachbearbeitet werden sollen.

(Hanna Schwichtenberg) 

Kalligraphische Kunst in der Kuppel der Moschee
Kalligraphische Kunst in der Kuppel der Moschee